A - Konzepte
A1 - Muße als räumliche FreiheitDas Teilprojekt konzentrierte sich auf den raumzeitlichen Charakter der Muße. Zum einen erfolgte im Anschluss an die moderne Phänomenologie eine systematische Klärung von Muße als freier Raumerfahrung. Der geschichtlich ausgerichtete Schwerpunkt erarbeitete den Beitrag Nietzsches und Heideggers zu einer Philosophie der Muße in der Moderne. Dabei standen deren Beschreibungen von Philosophie und Kunst als spezifisch räumliche Lebensformen im Vordergrund.
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A2 - Muße als Lebensform in der Spätantike: „Theorίa“ und monastische TraditionProf. Dr. Dr. Thomas Böhm, JProf. Dr. Thomas Jürgasch
Spätantike Reflexionen auf Muße als Lebensform erweisen sich als maßgeblich geprägt von neuplatonischen Entwürfen (z.B. jenen von Plotin und Porphyrios), in denen eine enge Verbindung von Schau (θεωρία, theorίa) des Prinzips und Muße hergestellt wird. Muße wird hier vorrangig als Bedingung der Möglichkeit von theorίa begriffen. Eng damit verbunden ist – so der zweite Aspekt des Teilprojektes – die Rezeption dieses Ansatzes im östlichen Mönchtum. Über die neuplatonische Konzeption hinaus wird Muße hier im emphatischen Sinne auch als die Schau Gottes selbst verstanden. Darüber hinaus findet Muße ihren Ausdruck z.B. in der Schriftlektüre oder in Formen der Verräumlichung im Monasterium.
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A3 - Die gesellschaftliche und ethische Relevanz des Begriffs der MußeProf. Dr. Lore Hühn
Ausgehend vom aristotelischen Mußebegriff wurde eine systematische Unterscheidung der Muße als Konstituens des philosophischen Denkraums und als Bedingung des freien politischen Gesprächs erarbeitet. Im Mittelpunkt standen dabei die kritische Fortführung dieser Thematik in den Werken Theodor W. Adornos und Hannah Arendts. In einem ersten inhaltlichen Arbeitsschritt wurde der bedeutungsgeschichtliche Wandel dieses Begriffs ausgewiesen; in einem zweiten Arbeitsschritt sollten die jeweiligen Mußekonzepte bei Adorno und Arendt hinsichtlich ihres Potentials einer Kritik an der modernen Lebenswelt analysiert werden, um in einem dritten Arbeitsschritt eine Neufassung des Mußebegriffs angesichts aktueller Debatten aufzuzeigen.
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A4 - Muße im schulischen Kontext: Förderung von Muße, Kreativität und seelischer Gesundheit durch eine achtsamkeitsbasierte InterventionProf. Dr. Joachim Bauer, Prof. Dr. phil. Stefan Schmidt
Unbestimmte Freiräume, die achtsames Innehalten und mentale Fokussierung im Sinne der Muße ermöglichen, sind im Lebensraum Schule aus verschiedenen Gründen nur spärlich vorhanden oder fehlen. Ziel des Projekts war es, durch eine an der „Mindfulness-based Stress Reduction“ orientierte Intervention, an der insgesamt knapp 300 Lehrer/innen und Schüler/innen teilnehmen sollten, der „Muße“ in der Schule einen Platz zu geben. Parallel dazu sollte im Rahmen von besonderen Unterrichtseinheiten ein durch permanente Erreichbarkeit, Aufmerksamkeitsfragmentierung, Hetze und hohen Leistungsdruck geprägter Lebensstil kritisch reflektiert werden. Spezifisch untersucht werden sollte, ob sich Kreativität und seelische Gesundheit der Beteiligten fördern lassen. Die Intervention wurde in einem kontrollierten Design mit einem Mixed-Method-Ansatz evaluiert.
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A5 - Selbstüberschreitung in der Muße - Rekonstruktion und Selbstüberschreitung in der SoziologieProf. Dr. Manuela Boatcă, Dr. Alexander Lenger Die Soziologie hat Muße nie systematisch untersucht, doch wichtige Bestände der soziologischen Literatur konnten unter der Perspektive unseres Forschungsprogramms neu gelesen werden. Das Projekt rekonstruierte und überprüfte Theorien von Modernisierung, methodischer Lebensführung und Habitus; dadurch wurden die spezifischen Grenzen dieser Kategorien unter dem Aspekt der Muße sichtbar. Empirisch untersuchte das Teilprojekt die Bedeutung von Muße für die Wissensproduktion an Universitäten, indem es drei verschiedene Räume der Muße verglich: kleine Durchbrechungen der methodischen Alltagsgestaltung, reguläre Forschungssemester und die neuen Freiräume in Institutes for Advanced Studies.
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